Caritas verhindert Tarifvertrag für mehr als 1 Million Menschen im Pflege- und Sozialsektor

Heute meldetet die taz, dass die Einführung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für den Pflege- und Sozialsektor gescheitert ist. Das trifft laut taz über eine Million Mitarbeitende in diesem Sektor.

Der Grund ist laut taz die Angst seitens der Caritas, dass das aus dem Nationalsozialismus kommende kirchliche Sonderarbeitsrecht aufgeweicht werden könnte. Einwände gegen den Tarifvertrag kamen allerdings auch aus der Diakonie.

Der NDR wurde in einem Beitrag (siehe Artikelliste unten) deutlicher: „Tatsächlich zahlten die kirchlichen Arbeitgeber längst quasi nach Tarif. Ihnen ginge es, erklärt Becker, nicht um Probleme mit höheren Kosten. Sie wollten arbeitsrechtliche Sonderprivilegien der Kirchen erhalten. Die Wahrung der tariflichen Selbstbestimmung sei den Kirchen wichtiger, als für soziale Gerechtigkeit in einer Branche zu sorgen, die ihre Beschäftigten bislang nicht verwöhnt hat. Setze ein Tarifvertrag die Standards der Branche, könnte der diese Sonderrechte womöglich eines Tages aushebeln.“

Die Diakonie, die einen Tag später, also am 26.02.2021, einen Beschluss zum Tarifvertrag Pflege fassen wollte, hat gekniffen bzw. versteckt sich hinter der Caritas und verzichtet auf einen Beschluss zum Altenpflegetarif. Ein positives Votum der Diakonie hätte zwar nicht ausgereicht, da beide kirchlichen Verbände zustimmen müssen, um den Tarifvertrag in Kraft zu setzen. Aber es hätte den Druck auf die Caritas erhöht.

Im Folgenden der Artikel der taz:

  • Tarifvertrag für Pflegende scheitert: Ausgerechnet die Caritas. Ein allgemeiner Tarifvertrag für die Altenpflege schien greifbar – doch jetzt hat sich die Caritas quergestellt. Pflegekräfte sind entsetzt. Von Alina Leimbach | taz, 25.02.2021

Dieser Artikel aus der taz vom 09.03.2021, der am Schluss auch Bezug nimmt auf die hier verhandelten Fragen, macht deutlich, was hier gesellschaftlich auf dem Spiel steht:

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Stimmen aus Caritas und Diakonie zur Ablehnung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags Altenpflege

Diakonie-Präsident: Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege bleiben auf der Tagesordnung. Pressemitteilung der Diakonie Deutschland vom 26.02.2021
Caritas lehnt Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags Altenpflege ab. Erläuterungen von Caritas Deutschland zur Ablehnung (25.02.2021)
Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e.V.: PRESSEMITTEILUNG 01/2021 vom 25.02.2021: Neuer Tarifabschluss sichert weiterhin gute Arbeitsbedingungen

Damit bestätigt sich, was ich bereits im Juli 2020 auf diesem Blog schrieb, das nämlich das kirchliche Sonderarbeitsrechts – als Nachwirkung des Nationalsozialismus – katastrophale gesellschaftliche Wirkungen hat. Es wird Zeit, dass beide Kirchen sich von ihrem nationalsozialistischen Erbe emanzipieren!

(Zuletzt aktualisiert am 09.03.2021)

#PflegeComeBack-Studie bestätigt die Forderung nach Emanzipation von der Dienstgemeinschaft

Bereits am 26. November 2018 wurde die #PflegeComeBack Studie in Berlin vorgestellt. Diese Studie benennt die wesentlichen Ursachen für den Pflegekräftemangel in der Bundesrepublik.

Ver.di hat zu dieser Studie damals Stellung bezogen und Arbeitgeber und Politik zu einer schnellen Abhilfe aufgefordert. Die Corona-Krise zeigt nun, wie nötig eine Verbesserung der Personalausstattung und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich sind.

In ihrer Kommentierung der Studie fordert ver.di zudem, das von der das von der Bundesregierung für die Altenpflege formulierte Ziel flächendeckender Tarifverträge schnellst möglichst umzusetzen.

Ohne eine Emanzipation der Kirchen von ihrem nationalsozialistischen Erbe der Dienstgemeinschaft werden diese mehr als berechtigten Forderungen von ver.di nicht durchzusetzen sein. Das zeigt sich am Beispiel dieser nicht mehr ganz neuen #PflegeComeBack Studie, deren Analysen bis heute schlicht ignoriert werden – weil die Kirchen als wichtigste Player in diesem Sektor ohne Druckmöglichkeiten seitens der Gewerkschaften es einfach nicht nötig haben, sich zu bewegen und die Politik sich ebenfalls ohne gewerkschaftlichen Druck nicht zum Handeln genötigt sieht. Die Politik schätzt die niedrigen Kosten im Gesundheits- und Pflegesektor als Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Exportwirtschaft.